Vorbemerkung

Diesen und natürlich auch die anderen Berichte meiner Kamerun-Reise sind meine subjektive Sicht der Dinge. Ich will mit meinen Beschreibungen niemanden direkt kritisieren, außer vielleicht die, die an den Schalthebeln der Macht sitzen und eine Veränderung zum Besseren bewirken könnten. Die gesellschaftliche Situation in Afrika und auch in Kamerun sind eine direkte Auswirkung der Geschichte der letzten 400 Jahre. Die Kolonialisierung durch die Europäer hat gesellschaftliche Strukturen zerstört und staatliche Gebilde geschaffen, die unterschiedlichste Ethnien in ein künstliches Gebilde pressen. In Kamerun gibt es mehr als 200 verschiedene Sprachen, keine Dialekte! –  Sprachen!. Entsprechend vielfältig sind die Ethnien. Die Europäer, zunächst die Deutschen, haben ein Verwaltungsgebilde erschaffen, das Grundstock des heutigen Kameruns ist. Die Deutschen, Franzosen und Engländer haben unzählig viele Verbrechen an der Ursprungsbevölkerung begangen, die teilweise bis heute durch diese Staaten nicht anerkannt werden.

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Douala Mang Bell: eine bemerkenswerte Ausstellung in Hamburg

Wer kennt in Deutschland schon die Geschichte von Rudolf Douala Manga Bell, der 1914 nach einem Schauprozess ohne wirkliche Verteidigungsmöglichkeit mit anderen Freiheitssuchenden hingerichtet wurde. (In und um Hamburg gibt’s jetzt wohl nach der Ausstellung einige mehr, die ihn kennen.)

Der ausgeprägte Nationalstolz der Kameruner gilt einem von den Europäern künstlich geschaffenen Staat, ähnlich wie viele andere Staaten in Afrika und Nahost. Gleichzeitig gibt es natürlich zahlreiche Differenzen zwischen den einzelnen Ethnien und auch zwischen dem frankofonen Teil und englischsprachigen Südwestkamerun. Die Kameruner sollten sich vielleicht eher auf ihre eigenen Traditionen und Lebensweisen berufen und ihre multiethnische Gesellschaft in einen modernen und ihren Ansprüchen entsprechendes Staatsgebilde formen, das sich nicht am kapitalistischen Europa, aber vielleicht an den humanistischen Idealen orientiert.  Wie zuvor erwähnt, das ist meine Meinung.

Ich freue mich über jede ernst gemeinte und fundierte Rückmeldung. Nur so kann ich meinen eigenen Horizont erweitern und vielleicht über meinen eigenen Tellerrand schauen.

Während der Norden und Nordwesten Kameruns durch den Islam geprägt sind, sind die weiteren Gebiete christlich missioniert und durch Naturreligionen beeinflusst. Freikirchen mit fundamental christlichen Werten sind stark auf dem Vormarsch, gewinnen wie in ganz Afrika neue Anhänger.

Die Portugiesen haben die Küste des heutigen Kameruns aus europäischer Sicht entdeckt und auch den Namen gegeben: Dem Fluss Wouri gaben sie den Namen Rio dos Camarões (Fluss der Garnelen). Damit fing die Zerstörung der Sozialstrukturen an, die in großangelegten Versklavungen ganzer Landstriche einen Höhepunkt fand. Nicht, dass es den Sklavenhandel schon früher gegeben hätte. Aber die immense Nachfrage nach vermeintlich billigen Arbeitskräften aus dem neu entdeckten Kontinent Amerika machte diese menschenverachtende Scheußlichkeit erst richtig rentabel. Auf Curaçao habe ich Listen mit Namen der Verschleppten, auch aus Kamerun, selbst gesehen, heute unvorstellbar, damals normal und kirchlich legitimiert.

Kamerun-karte-politisch Douala, die Wirtschaftsmetropole
Kamerun-Karte (politisch) Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Kamerun, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/

Heutzutage werden die autokratischen Systeme, die die eigene Bevölkerung ausplündern, weiterhin von den wohlhabenderen Ländern der nördlichen Hemisphäre gestützt. Allen voran die EU mit Frankreich als Speerspitze (die Währung Zentralafrikas, der CFA-Franc, wird in Paris gedruckt und ist eng an den Euro gebunden), aber auch China, USA und Russland sind mit dabei. Anstatt die Wirtschaft der Länder für die breite Masse zu entwickeln und rechtsstaatliche Regeln einzuführen, werden Bodenschätze billig gefördert und ins Ausland zur Weiterverarbeitung verkauft. Einheimische Produkte (Geflügel, Agrarprodukte) werden durch Billigimporte vom Markt gedrängt. Korruption wird gefördert und damit der Einfluss von Außen gesichert.

Aufgrund dieser nicht gerade positiven Entwicklung ist es nicht verwunderlich, dass die Jugend des Landes keine Perspektiven für sich sieht und das Land verlassen will. Viele versuchen, auf illegalen Wegen Europa oder Nordamerika zu erreichen. Da der Akademisierungsgrad hoch ist, wandern gerade die gebildeteren Schichten legal in den Westen aus. Sie sind die Hoffnung der Zurückgebliebenen auf ein kleines Einkommen. Die Überweisungen und sonstigen Hilfen der „Diaspora“ halten den Lebensstandard der normalen Bevölkerung auf einem Level, dass gerade keine größeren Unruhen entstehen.

Die Stadt

Douala ist eine typische afrikanische Großstadt mit inzwischen sicherlich mehr als 4 Millionen Einwohnern. Sie ist nach dem dort ursprünglich ansässigen Volk der Douala benannt. Die Landflucht hat die Einwohnerzahl in den vergangenen Jahrzehnten rapide anwachsen lassen und eine unkoordinierte Bebauung der Randgebiete verursacht. Die Infrastruktur ist marode, genauer gesagt häufig nicht vorhanden. Der Strom fällt oft aus, ebenso ist die Trinkwasserversorgung vollkommen unzulänglich. Das Abwasser wird über Sickergruben und teils offene Abwassergräben entsorgt. Dementsprechend ist an heißen Tagen der Geruch. Und heiße Tage gibt es in Douala häufig, wegen des Klimawandels immer häufiger.

Douala ist ein Schmelztiegel der Ethnien, die dann in unterschiedlichen Stadtbereichen leben. Viele haben noch eine Beziehung zu den eigentlichen Herkunftsgebieten und wollen dann zumindest am Ende des Lebens zumindest in „ihrem Dorf“ beerdigt werden. Aber natürlich gibt es auch viele ohne oder mit gemischten Wurzeln. Wer einer regelmäßigen und bezahlten Arbeit mit einer Krankenversicherung nachgeht, ist Teil einer kleinen Minderheit. Ein-Mensch-AGs und Tagelöhner sind wohl in der Stadt die Mehrheit. Eine staatliche Rente erhalten nur wenige ehemalige Staatsbedienstete. Zu einem vernünftigen Leben reicht diese Zahlung ohnehin nicht.

Douala ist (noch) einer der größten Seehäfen in Westafrika. Hier werden große Mengen an Gütern, auch für Zentralafrika, umgeschlagen. Der hier erwirtschaftete Wohlstand landet aber in den Taschen weniger, die auch für europäische Verhältnisse unermesslich reich sind. Manche Prunkbauten oder Luxuskarossen in den Straßen Doualas sind ein Anzeichen dafür.

Der Verkehr

Die Straßen sind voller Leben. Hier treffen Fußgänger, Autos und Motorräder Tag und Nacht mit voller Wucht aufeinander. Kaum ein Fahrzeug ohne kleinere oder auch größere Schrammen. Die Überquerung einer belebten Straße als Fußgänger ist immer ein „sportliches“ Vorhaben. Normalerweise bewegt man sich in Douala mit dem Taxi, das ist billig (2 -3 €), aber unbequem. Die Taxen, gelb lackiert, häufig ein Fahrzeug der Marke Toyota, entweder Corolla oder Yaris, auf jeden Fall alt, die Frontscheibe gerissen, Stoßdämpfer und Radlager defekt. Vorn sitzt man neben dem Fahrer, häufig zu zweit, hinten vier oder fünf Passagiere. Eine Klimaanlage gibt’s nicht. Oder man nimmt etwas Billigeres: ein Motorrad, meist eine 125er aus chinesischer Produktion – gerne zu dritt. Dafür braucht man als Europäer aber starke Nerven, denn es gibt nur eine Verkehrsregel und die lautet: Es gibt keine Verkehrsregeln. In seltenen Fällen halten Autos an einer roten Ampel an. Motorradfahrer kennen keine Ampeln.

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Verkehr in Douala

Europäischen Führerscheininhabern wird abgeraten, Auto zu fahren. Aber wer hört schon auf Ratschläge. Also hatte ich schon von Deutschland aus ein Auto über ein Vergleichsportal gebucht, für die erste Woche, um mobil zu sein. Die Verleihfirma Toyota Equipment war erstaunlicherweise sehr professionell aufgestellt und das Fahrzeug fast neu und elegant. Da die Internetverbindung schon seit Tagen sehr instabil war, konnte meine Kreditkarte bei der Abholung nicht mit der Kaution belastet werden. Also zurück mit dem Taxi zum Appartement, Euros holen, zurück zu Toyota, dann Endlosdiskussionen, ob Euro angenommen werden oder wir die Scheine erst in FrancCFA umtauschen müssen. Nach drei Stunden konnten wir den Wagen endlich benutzen und ich konnte mein „TomTom“ mit der installierten Karte von Westafrika an die Windschutzscheibe „kleben“. Das Abenteuer begann.

 Und ich denke, dass alle deutschen Autofahrer, die hupend, drängelnd und die anderen beschimpfen, diese Erfahrung mal machen sollten. Denn hier bekommt der § 1 STVO: „Grundregeln (1) Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht“ seine wirkliche Bedeutung.

Der Rückweg zu unserer Wohnung, ca. 12 km quer durch Douala, verlief anstrengend, aber reibungslos. Die letzten 200 m waren allerdings eine Herausforderung. Denn hier war „fin goudron“, das Ende des Asphalts. Der Weg war zwar breit, aber mit tiefen Furchen durchzogen und insgesamt sehr uneben. Um nicht ständig aufzusetzen, musste ich die gesamten 10 m Fahrbahnbreite benutzen – bei Gegenverkehr. Kurz vor unserem Appartement gings über einen Abwasserkanal, der zwar mit Betonplatten teilweise abgedeckt war, aber so aus dem Untergrund ragte, dass die Bodenpartie des Wagens darauf aufsetzte. Damit war man dann gezwungen, sich mit einem langen kratzenden Geräusch weiter vorwärtszubewegen. Das musste ich jetzt jeden Tag mehrmals durchmachen. Immerhin war der Parkplatz bei unserer Wohnung eingezäunt und bewacht.

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Schwelle vor unserem Appartement

Die Straßen in Douala sind schwer zu beschreiben. Der Belag ist häufig komplett abwesend. Schlaglöcher sind nach deutschen Maßstäben eher als Baugruben zu bezeichnen, denn bei uns wären alle Straßen aufgrund des Straßenzustands komplett gesperrt. Gut, hier fährt man um die Schlaglöcher herum, gerne auch in den Gegenverkehr oder wenn es nicht anders geht, auch mittendurch. Dass die Autos ständig aufsetzen und sich die Bodenpartie demolieren, ist normal. Bei Regen folgt man besser den Taxis, denn die Straßen sind dann kleine Flüsse und die Schlaglöcher unsichtbar. Die Taxifahrer kennen aber deren Lage auswendig.

Wegbeschilderung gibt es keine, außer am zentralen Kreisverkehr, dem „Rond Point“, hier geht’s Richtung West- und Südwestkamerun sowie dem Stadtteil Banaberi. Ampeln sind selten und werden, wie oben beschrieben, ohnehin nicht beachtet. Weitere Verkehrsschilder gibt es in Douala keine. Kreisverkehre sind an den größeren Kreuzungen meist verstopft und nur im Schritttempo durchzufahren. Kleinere Rempeleien sind die Regel und stören hier niemanden – also niemanden von den Einheimischen. Irgendwann passt man sich an und man bleibt gelassen, oder man benötigt dringend „Tranquilizer“.

Es gibt einige wenige gut ausgebaute Straßen, vorwiegend in der Nähe des Flughafens und in den „gehobeneren“ Stadtteilen. In der Regel bewegt sich der Verkehr mit einer Geschwindigkeit weit unter 50 km/h. So sind die Unfälle zwischen Pkws häufig nur Blechschäden. Bei den vielen ungeschützten Motorradfahrern sieht das aber ganz anders aus. Einen Blechschaden sollten wir auch noch erleben, davon aber später.

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Yango, Digitalisierung des "ÖPNV"

Yango ist eine Handy-App, im Prinzip ein afrikanisches „Uber“, die momentan die Fortbewegung in vielen afrikanischen Großstädten umkrempelt. Anstelle am Straßenrand nach einem Taxi zu suchen, das in die richtige Richtung fährt und genügend Plätze frei hat, bucht man über diese App bequem ein passendes Fahrzeug direkt von Vorort bis zum gewünschten Zielpunkt. Den Standort des gebuchten Fahrzeugs sieht man dann in der App bis zur Ankunft. Der Preis ist vorab festgelegt. Das ist natürlich bequem, aber auch etwas teurer als die „normalen“ Taxis. Die App revolutioniert den „ÖPNV“ in Afrika und Südamerika. Sie wird letztlich durch russische Entwickler vertrieben. Damit verdienen die „Russen“ bei jeder zweiten Taxifahrt in Afrikas Großstädten mit – das sind wahrscheinlich immense Summen.

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Meine Yango-Installation

Das Klima

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Wolken über Douala

Das Klima in Douala ist tropisch. Klar, Kamerun liegt knapp nördlich des Äquators und Teile des Kongobeckens mit seinen ausgedehnten Regenwäldern liegen auf dem Staatsgebiet. Douala liegt am Mündungsdelta des Wouri, der Atlantik ist nicht weit entfernt. Aber eine kühle Brise entsteht über dem erwärmten Ozean kaum. Der Himmel ist zwar häufig bedeckt, trotzdem liegen die Temperaturen tagsüber bei bis 35 °C, nachts bei 25 °C. Was aber wirklich für meinen an das mitteleuropäische Klima gewöhnten Körper belastend ist, ist die hohe Luftfeuchtigkeit. Man schwitzt bis zur Erschöpfung, ohne abzukühlen. Eine Klimaanlage ist daher sowohl im Auto als auch in der Wohnung empfehlenswert. Wenn es regnet, dann regnet es in Strömen. Es gibt Trocken- und Regenzeiten. Am kühlsten sind die Sommermonate Juni bis September, während der Regenzeit, dann liegt die Tagesdurchschnittstemperatur knapp unter 30 °C. Aber dann ist Douala eine kleine flache Lagune, zumindest in den in Senken gelegenen Stadtteilen. 

Insgesamt hat auch hier der Klimawandel zu erheblichen Veränderungen, insbesondere bei der Höchsttemperatur als auch in einer vermehrten, in anderen Landesteilen stark reduzierten Niederschlagsmenge geführt.

Man muss Douala erlebt haben, auch wenn es für Europäer wie mich eine Herausforderung darstellt. Der Kontrast zum restlichen Land ist immens.

Limbe, Seme Beach und SWR1

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