Anfahrt
Es war ein sonniger Sonntagmorgen, der Himmel war ausnahmsweise strahlend blau. Das nächtliche Gewitter hatte die Schwüle für einige Zeit weggefegt. Wir waren von einem unserer Freunde zu einem Besuch auf seiner Heimatinsel Jebale, die nahe bei Douala im Wouri lag, eingeladen worden. Er, ein sehr aktiver Geschäftsmann, pendelte zwischen seiner Familie in Paris und seinem Arbeitsplatz Kamerun häufig hin und her. Sein großer Mercedes-Geländewagen bot genug Platz für alle Mitfahrer, ein eigentlich zweiter Fahrer war nicht gekommen – in Kamerun ist eine Zusage nicht immer ernst gemeint.
Ein Auto ist dann voll belegt, wenn alle Hohlräume gefüllt sind. Außerdem legt man den Sicherheitsgurt nur dann an, wenn das Gepiepse der Gurtkontrolle nervt oder wenn man Europäer ist. Der Verkehr war am frühen Sonntagmorgen sehr moderat. Der große Mercedes mit blauen UN-Aufklebern wurde von den Motorradfahrern weit umfahren – unser nächster Leihwagen wird auch größer sein, so mein Gedanke. Hier hat der Stärkere Recht und Vorfahrt, da muss man einfach realistisch sein.

Von der Anlegestelle der „Fähre“ in Bonaberi, einem Stadtteil von Douala, bis nach Jebale waren es ca. 3 km über den Wouri. Es dauerte eine Weile, bis das Boot kam und alle Mitfahrer an Bord waren. In der Zwischenzeit haben wir das umliegende Gelände mit einem Hotel- und Restaurantkomplex sowie einer Art Halle mit Imbiss-Stand erkundet. Die Stelle ist ein richtiger Geheimtipp, direkt neben der belebten und stressigen Metropole Douala ein kleiner Rückzugsort mit schönem Ausblick auf das Wouri-Ästuar





Überfahrt und Whiskey am Morgen
Die Überfahrt nach Jebale war sehr angenehm. Die leichte Brise kühlte angenehm, denn die schwüle Hitze nahm wieder zu, obwohl oder gerade, weil der Himmel inzwischen wieder bedeckt war. Das Boot war ziemlich voll, vielleicht 15 Passagiere. Die meisten starrten gelangweilt in ihre Handys, einige auch nur in die Ferne. Für uns war das Ganze ein wenig Abenteuer und es gab viel zu sehen, andere Boote, viele kleine auf dem Wasser treibende Pflanzen, die teilweise kleine Inseln bildeten und viele Greifvögel, die nach Fischen suchten. In Jebale angekommen, stiegen die meisten Passagiere aus. Wir mussten allerdings im Boot bleiben. Denn um die Insel betreten zu können, war es Pflicht, zuerst die Zustimmung der Ahnen einzuholen. Dazu wurden wir an eine bestimmte Stelle im Wouri gefahren und unser einheimischer Führer musste ein spezielles Ritual durchführen. Dieses Ritual ist insofern geheim, als es weder gefilmt, fotografiert noch sonst aufgenommen werden darf. Das wollten wir natürlich respektieren, deshalb gibt es hiervon weder Bild- noch Tonmaterial.

Wir hatten für die Ahnen vorab eine Flasche Whiskey gekauft, die dann bei genauer Prüfung jedoch nicht den Ansprüchen der Ahnen genügte. Also wurde vor dem Ablegen eine geeignete Marke gekauft. Dieser Whiskey wurde während des Rituals durch unseren Guide in den Wouri geschüttet und gleichzeitig bat er die Ahnen im örtlichen Dialekt der Douala für uns Fremde um Erlaubnis zum Betreten der Insel. Eine ergreifende Szene, auch für mich als „aufgeklärten?“ Europäer. Einen Rest des Whiskeys mussten die anwesenden Erwachsenen dann trinken, meine erste Flüssigkeit an diesem Morgen. Die Qualität war wirklich ausgezeichnet – die Ahnen haben Geschmack.
Reif für die Insel: Jebale
Danach ging die Fahrt wieder zur Anlegestelle in Jebale. Dort trafen wir dann gleich Altbekannte aus dem Boot. So verkaufte unsere Sitznachbarin frische Mangos und Avocados, andere saßen am Ufer oder winkten uns auf unserem weiteren Weg aus ihren Häusern zu. Hier kannte jeder jeden.

Was auch kein Wunder war, denn wie wir später erfahren haben, leben auf der Insel im Großen und Ganzen nur wenige Großfamilien. Während unser Freund an einer Versammlung der „Insel-Ältesten“ teilnahm, wollte unser inzwischen eingetroffener Guide uns die Insel zeigen. So liefen wir auf einem schmalen, sandigen Fußweg über die flache Insel. Die Temperaturen waren weiter angestiegen und hier, im dichten Bewuchs, wurde die Schwüle für mich immer unerträglicher. Kaum Flüssigkeit, außer Alkohol, kein Frühstück, das konnte nicht gut gehen. Mein Kreislauf machte schlapp. Der Rucksack und meine Kamera wurden immer schwerer. Ich musste immer wieder eine Pause einlegen. Meine afrikanischen Begleiter haben mich zwar verständnislos angeblickt, aber 35 °C, gefühlt wie 40 °C laut wetter.com, taten den Rest. Ich musste nach zwei Dritteln des Weges und gefühlten 10 km umkehren. Aber erst einmal eine Pause im Schatten. Danach ging es mir wieder besser.
Gegrillter Fisch

Unter einem riesigen Mangobaum hatte unser Gastgeber bereits einen Tisch vor einem Haus aufbauen lassen. Hier sollten wir gegrillten Fisch essen. Zuerst aber mal Wasser, Wasser, Wasser. Eine kühlende Brise rettete mir den Moment an diesem schattigen Platz. Der leckere Fisch, die Beilagen und dann noch ein kühles Bier, was wollte man mehr.
Die Insel war in der deutschen Besatzungszeit Kameruns zum Beschuss der einheimischen Widerstandskämpfer ausgebaut worden. Die Kanonen von damals sind noch vorhanden. Kein Ruhmesblatt für die deutschen Kolonialisten aus dem Kaiserreich. Ein Haus und die Kirche auf der Insel erinnern ebenfalls noch an diese Zeit.
Die Schule und das Krankenhaus, die wir vorher ebenfalls besichtigt hatten, werden gerade renoviert. An allen Gebäuden fehlt das Dach und die Innenausstattung wurde entfernt und wild im umliegenden Gelände zwischengelagert. Bei diesem feuchten Klima werden die Möbel und andere Gegenstände nicht lange überleben. Da kann man nur hoffen, dass die Arbeiten schnell voranschreiten.
Nachtrag: Die Gebäude sind inzwischen fertig renoviert und wieder in Betrieb, dank der finanziellen Hilfe des von Jebale abstammenden Fußballspielers Kylian Mbappé.
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Rückfahrt
Bald war es dann auch Zeit für die Rückfahrt mit dem Kahn. Inzwischen war die Insel von vielen Ausflüglern bevölkert, die sich in provisorisch aufgebauten Freiluftrestaurants Essen und Getränke auftischen ließen. Und natürlich war da auch vereinzelt der oder die Bekannte meiner Begleiterinnen darunter. So dauerte der Weg zum Ufer einige Zeit. Aber das Boot wartete auf uns. Durch ein aufkommendes Gewitter war das Wasser inzwischen ziemlich aufgewühlt, und die Wellen schlugen teilweise über den Bootsrand ins Innere. Bei den hohen Temperaturen war das aber eine angenehme Abkühlung.
Die Imbisshalle am Ufer in Bonaberi hatte sich ebenfalls mit vielen Ausflüglern gefüllt. Durch die einsetzende Ebbe war das Aussteigen aus dem Boot erschwert und wir mussten unsere mit Schlick verdreckten Schuhe erst einmal mit Wasser säubern. Die Fahrt mit dem Auto zu unserem Appartement im Stadtteil Makepe dauerte noch einmal eine halbe Stunde. Dann konnte der ereignisreiche Tag im klimatisierten Wohnzimmer ausklingen.